Regierungskrise in Ecuador: Schuld sind immer die anderen
Statt zu seiner Sparpolitik zu stehen, wendet Präsident Moreno Gewalt an und macht sich aus dem Staub. Leider hat das in Südamerika Tradition.
D a sind sie wieder, die Bilder, die ein südamerikanisches Land wie eine Bananenrepublik aussehen lassen: Eine Regierung macht das Gegenteil dessen, was sie im Wahlkampf verspricht. Die Unzufriedenheit mündet in Massenprotesten. Ein Präsident schickt knüppelnde Sicherheitskräfte, verhängt eine Ausgangssperre, flüchtet aus der Hauptstadt – und schwafelt vom Putschversuch mit ausländischer Hilfe.
Was derzeit in Ecuador zu beobachten ist, hat in Südamerika leider eine lange Tradition. Ähnlich wie zuletzt Argentinien bekommt das Andenland den harten Bruch von linker Umverteilungs- zu neoliberaler Sparpolitik zu spüren. Weil Ecuadors Präsident Lenín Moreno einen Milliardenkredit vom Internationalen Währungsfond (IWF) möchte, hat er weitgehenden Reformen zugestimmt.
Und diese Reformen treffen – wen sonst? – vor allem die ärmeren indigenen Bevölkerungsschichten, die Morenos Vorgänger Correa noch massiv entlastet hatte. Doch nun sollen unter anderem die Subventionen für vergünstigtes Benzin wegfallen. Das hatte Präsident Moreno vergangene Woche angekündigt und damit die Proteste ersten ausgelöst.
Dass die Ecuadorianer*innen nicht die neoliberale Sparpolitik ihrer Regierung bezahlen möchten, leuchtet ein. Dass sich Präsident Moreno aber aus der Verantwortung für den ersten Toten und die bisher rund 70 Verletzten der Polizeigewalt stiehlt, hingegen nicht. Stattdessen macht er, ohne mit der Wimper zu zucken, seinen Amtsvorgänger – und dessen angeglichenen Komplizen Venezuela – für den Aufruhr verantwortlich. Immer ist der politische Gegner Schuld am Chaos – dieser Reflex mündet zwangsläufig in einer Gewaltspirale, mit immer heftigeren und blutigeren Protesten. Siehe Venezuela oder Nicaragua.
Besser wäre es, Moreno würde politisch zu seinen Reformen stehen und sie ehrlich als das benennen, was sie sind: eine Umverteilungspolitik von unten nach oben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja